Die negative Bewertung weiter oben kann ich absolut nicht teilen, im Gegenteil:
Die Gitarre ist hervorragend verarbeitet, der Hals-/Griffbrettübergang (früher ein notorisches Problem) ist perfekt verrundet, der Hals hat ein authentisches 50s Profil (auch das gab es lange nicht), die Lackierung ist perfekt und der Geruch so typisch für Nitrolack, das mir schleierhaft ist, was der Kollege von oben olfaktorisch vermisst.
Auch das Setup und die Intonation war perfekt (soweit eine Wraparound-Bridge das zulässt) und das ist wirklich sehr untypisch für Gibson, die bis in die jüngere Vergangenheit "out-of-the-box" wirklich mies eingestellt waren. Daher ist auch das hier eine positive Überraschung.
Ich habe auch nicht den (kostenlosen) Thomann Einstellservice in Anspruch genommen, weil mir das zu lang dauerte, ich bekam also tatsächlich das Werkssetup von Gibson. Und das war überraschend perfekt.
Das Griffbrett fühlt sich in der Tat recht trocken an. Liegt daran, dass man Palisander vor dem Verleimen behandeln muss, da es sonst zu ölig ist, um eine stabile Leimverbindung zu bekommen. Normalerweise ölt man daher anschließend die Griffbrettseite wieder ein. Gibson machte das eine Zeit lang nicht (und es ist auch Geschmacksache, welches Oberflächengefühl man bevorzugt), aber ein Fläschchen Dunlop Oil, ein weiches Tuch und zwei Minuten Arbeit bringen das in Ordnung.
Jedenfalls ist das Griffbrett nicht ausgetrocknet. Erstens geht das gar nicht, weil Holz beim Trocknen immer nur bis auf den Feuchtigkeitsgrad der Umgebung trocknen kann und zweitens würde ein künstlich über den Punkt hinaus getrocknetes Holz recht wahrscheinlich Risse bekommen, sobald es in eine anderen Umgebung mit anderem Feuchtigkeitsgehalt und Temperaturen kommt (wie etwa bei einer Reise von USA nach Treppendorf). Das ist hier aber nicht der Fall, das Griffbrett ist absolut fehlerlos, weshalb es nicht ausgetrocknet sein kann, sondern nur die Öle für den Leimvorgang per Laugenbad entzogen wurden.
Die Gitarre hat endlich wieder die "richtige" Kopfplattenform, das richtige Bodyshaping, hat Audiotaper Potis und einen Orange Drop Kondensator. Auch die Verlötung ist die 50s Variante, die beim zurückdrehen des Volume-Potis die Höhen nicht killt.
Meine Gitarre wiegt 3,2 Kilo, das ist (auch im Vergleich mit Vintage Exemplaren aus den 50ern) eher im leichten Bereich.
Die Gibson P90 haben einen ziemlich guten Ruf und in dieser Junior klingen sie auch wirklich typisch. Rotzig und rockig, stark in den Mitten, straffe und "große" Bässe, aber kein Mulm. Diese Gitarre hat die typischen Junior Sounds von Jethro Tull bis Green Day absolut authentisch drauf, aber auch clean hat sie den typischen und ganz speziellen Junior-Sound.
Alles in allem ist das eine Gitarre, wie Gibson Liebhaber sie immer wollten, aber die in der "Made in USA" Reihe seit 20 Jahren nicht angeboten wurde (irgendetwas war immer falsch, oft sogar ganz furchterregend falsch). Hier haben sie alles richtig gemacht, das ist endlich die Junior, die man immer wollte und die es bisher nur aus dem Custom Shop gab.
Bei den Features ziehe ich nur deshalb einen Stern ab, weil die Gitarre eine schwere Bridge aus Druckguss hat und nicht die leichten Alu-Brücken wie eine Custom Shop Junior. Aber das lässt sich ebenfalls leicht und günstig ändern, wenn man mag.
Unter dem Strich: Klare Kaufempfehlung für Junior-Liebhaber!