Während meiner langen Suche nach einer guten und erschwinglichen Geige war das die zweite Gewa Geige neben einer Maestro 6, die ich bisher getestet habe, und erneut eine kleine Überraschung: auspacken, stimmen, Spaß haben. Alles gut und spielbar eingestellt, Griffbrett gut abgerichtet, Wirbel ausreichend gängig, Steg nicht zu hoch und die Stegfüße passten sehr gut. Gewa hat scheinbar einen besseren Auslieferungsstandard im Gegensatz zu anderen Herstellern.
Holzauswahl, Optik, Maße:
Der Hals, Zargen und Boden aus schön geflammtem Ahorn, die Decke aus Fichte jedoch eher unregelmäßig von den Jahresringen mit vielen Wuchsanomalien. Die Abstände der Jahresringe waren teils schon etwas grenzwertig, von Feinjährigkeit und geradlinigem Wuchs war die Decke doch weit entfernt. Es könnte sein, das es sich bei dem Deckenholz um Haselfichte handelt. An den F-Löchern merkte man auch das es sich um relativ weiches Holz handelte im Gegensatz zu einer(doppelt so teuren) Miet-Referenzgeige. Auch der Klopftest mit dem Finger bestätigte das, die Gewa machte einen deutlich dumpferen und gedämfteren Ton.
Die Lackierung rotbraun in Richtung dunkelbraun. Der künstliche Alterungseffekt auf Boden, Hals und Zargen war recht gut und natürlich gemacht. Auf der Decke fand ich das Aging sehr grob, eckig und teils nicht gelungen. Die Stellen wirkten mitunter nicht wie abgerieben. Etwas mehr Sorgfalt bei der Öberflächenveredlung hätte dem Instrument gut getan.
Da ich mich schon länger mit Geigenbau beschäftige, stellte mich die Gewa Paris Antik baulich etwas vor ein Rätsel: Schwingende Saitenlänge 33cm, Deckenmensur etwa 19,65cm statt der normalen 19,5cm. Das kann schon Probleme bereiten wenn man eine normale Mensur gewöhnt ist, vor allem wenn man sich an Musikstücke wagt, die sich oft in den höheren Lagen bewegen. Auch der Steg war vom Werk nicht ganz im rechten Winkel aufgeschnitten, wahrscheinlich um die seltsame Mensur auszugleichen. Das widerum bedeutet, dass die schwingende Saitenlänge sogar Richtung 33,2 tendieren würde bei korrektem Stegwinkel von 90 Grad. Leider hatte auch meine Anfrage direkt beim Gewa-Support keinen Erfolg, so dass ich vermuten muss das hier eine bauliche Nachlässigkeit der Fall war.
Sound:
Warm, Sonor, etwas samtig, aber keineswegs kraftvoll...so würde ich das beschreiben. Bessere Ergebnisse bekäme man mit einem hochwertigerem Steg, da der Werkssteg nur ein Aubert A, also Mittelklasse ist.
Komischerweise spielte sich die Geige trotz der eigensinnigen Mensur sehr gut und sie sprach sehr sauber bis in die hohen Lagen an. Teststück für die G-Saite ist bei mir immer Montis Czardas. Der Wechsel vom A3 auf das A4 klappte sehr angenehm und das A4 der G-Saite hatte eine saubere Resonanz. Das hat man nämlich oft bei günstigen Geigen in der Preisklasse von 500 bis 1000 Euro nicht...da erinnert das an die "sterbende Hummel". Im Falle der Gewa richtig gut, sie verzieh sogar schlampige Bogentechnik etwas, wohingegen die teurere Mietgeige vom Geigenbauer sofort den Dienst quittierte. Wie hier aber schon in anderen Reviews erwähnt wurde, in den Lagen fehlt der Gewa etwas Brillianz, was man vor allem auf den tieferen Saiten merkte. Da hatte die Referenzgeige die Nase vorn, obwohl ich der Gewa deutlich weniger Rauschen in den sehr hohen Lagen der E-Saite zugestehen muss - aber eigentlich logisch wenn an anderer Stelle die Brillanz fehlt.
Ich habe lange überlegt die Gewa einfach zu behalten, da sie vom Grundcharakter genau das war was ich suchte. Sie machte alleine gespielt viel Freude. Beim Test im Zusammenspiel mit Playback diverser Musikstile ist mir aber aufgefallen, dass die Gewa da ihre Schwachstelle zu haben scheint. Es fehlt im mittleren Frequenzbereich das, was für das Durchsetzungsvermögen zuständig ist. Ich hatte immer das Gefühl die Geige klingt dünn und ich höre mich schlecht sobald ich mit anderen Instrumenten mitspielte. Sobald ich die Geige wechselte war es besser. Sehr, sehr schade!
Fazit:
Für den Preis bekommt man viel Klang und bereits gute Verarbeitung, auch wenn die Gewa Paris Anik optisch kein Meisterwerk ist. Für Einsteiger, Wiedereinsteiger und Studenten oder als Reise- und Zweitgeige definitiv eine sehr gute Wahl und wahrscheinlich eine der besten Geigen die man unter 1000 Euro bekommt. Ich denke, wenn man noch hier eine professionelle Klangoptimierung durchführen bzw. einen hochwertigen Steg aufschneiden ließe, entfaltet sich die Gewa Paris noch einmal ordentlich.
Wäre die Gewa Paris Antik meine erste Geige, hätte ich diese sicherlich behalten. Da sie aber doch zu deutlich unterlegen war zur (noch moderaten) Geigenbauer-Neubau-Geige, musste ich die Gewa leider wieder zurückschicken...auch wenn ich mich schon fast etwas wehmütig wieder davon trennte.