Ich besitze den Portico 5017 seit 3 Jahren, Gekauft habe ich ihn als Preamp für Mikrofon und Gitarre als Singer/Songwriter. Im Laufe der Zeit hat sich leider herausgestellt, dass das Gerät ein paar Schwächen hat:
Der eingebaute DC-DC-Wandler sitzt genau neben der Mikrofonvorstufe was zur Folge hat, dass magnetische Einstreuungen aus dem Wandler mit Frequenzen in der Gegend von 200 kHz eingefangen werden und sich dem Mikrofonsignal überlagern. Diese liegen erheblich (10 - 20 dB) über dem Rauschen der Mikrofonvorstufe. Hörbar sind sie normalerweise nicht, deshalb fiel es mir nicht sofort auf. Wenn aber ein anderes Gerät wie zB ein digitales Effektpedal am DI-Eingang ebenfalls hochfrequente Störungen erzeugt, kommt es zu Interferenzen im hörbaren Frequenzbereich. Ich habe Neve daraufhin kontaktiert, aber keine Stellungnahme zu diesem Problem erhalten. Also wer das liest, möge sein Gerät überprüfen und sich ggf ebenfalls an Neve wenden.
Diese Feststellung ist unabhängig von der Stromversorgung. Diese erfolgt ein mitgeliefertes Netzteil mit 12 Volt DC über zwei interne Wandler (2x18V und 48 Volt). Ich betreibe das Gerät aber auch öfters mit einer 12 Volt Lithium-Powerbank, der Stromverbrauch beträgt ein halbes Ampere.
Praxis-Erfahrungen: Die kleine Frontplatte ist dicht besiedelt. Wenn das Gerät auf dem Tisch steht, sind die Knöpfe nur ein paar cm über der Tischplatte. Am besten stellte man das Gerät irgendwo in Augenhöhe auf, damit man die beiden LEDs für Aussteuerung und Kompression sehen kann. Diese Anzeigen sind arg minimalistisch. Eine Power-LED hat sich Neve eh gespart, ebenso wie LEDs für die verschiedenen Druckknöpfe, einen Regler für die Ausgangs-Lautstärke und zwei zusätzliche Schalter für Kompressor-Routing und Zeitkonstante (siehe unten).
Das Rauschen des teilweise diskret aufgebauten Mikrofonkanals ist selbst bei leisen Mikrofonen vernachlässigbar, wie zB dem Sennheiser MD441U, meinem Lieblingsmikrofon für Gesang und Sprache.
Auch der DI-Input ist einwandfrei. Es handelt sich um einen hochohmigen symmetrischen Eingang mit einem integrierten FET-Opamp, der auch mit passiven Piezos gut funktioniert. Der DI-Kanal hat eine abschaltbare Phasenkorrektur, um Phasenunterschiede zwischen Pickup und Mikrofon auszugleichen. Das funktioniert bisweilen ganz gut, manchmal weniger.
Es gibt zwei Ausgänge, einen XLR-Mix-Ausgang, bei dem man zwischen Mic und DI überblenden kann, und einen Klinkenausgang für den Mikrofonkanal allein. Beide haben einen Ausgangstransformator, der eine leichte, kaum spürbare Wärme ins Spiel bringt, besonders wenn der "Silk" Schalter an ist. Dieser reduziert die Gegenkopplung der Transformator-Ausgangsstufe, was sich bei impulsartigen Signalen oder Rechteckschwingungen in einem etwas weicheren Klang bemerkbar macht. Allerdings muss man da schon das Gras wachsen hören… Insgesamt klingt das Gerät sehr neutral, klar und durchsichtig ohne Färbung. Man kann es auch problemlos auf der Bühne benutzen und über lange Kabel mit dem Mischpult verbinden.
Der Kompressor arbeitet mit einem LED-LDR Optokoppler und regelt dadurch vergleichsweise langsam gegenüber einem FET-Typ (wie zB der 1176) oder einem VCA-Kompressor. Regelbar ist nur der Threshold, das Kompressionsverhältnis ist fix bei 1:2. Man kann ihn entweder nur auf das Mikrofon legen oder auf den Mix-Kanal, allerdings muss man zum Umschalten den Deckel mit 8 Schrauben abnehmen und einen Jumper umstecken. Dabei wäre es problemlos möglich gewesen, dafür einen Schalter an der Rückseite vorzusehen. Das gilt auch für die ebenfalls nur mit Jumper umschaltbare Zeitkonstante des Kompressors. Für eine sanfte Kompression darf die grüne LED nur gelegentlich aufleuchten. Ich lasse den Kompressor meist auf dem Mikrofonkanal (mit der kurzen Zeitkonstante) und verwende für den DI ein Kompressor-Pedal wenn nötig.
Für die eingangs genannten Punkte bei Bedienung und Features gibt es Abzug. Wen das nicht stört, und wer das Budget dafür hat, dem kann ich den Portico nur empfehlen.